Benoît Revaz leitete mehrere Unternehmen im Energiesektor, bis er im Oktober 2016 zum Direktor des Bundesamts für Energie ernannt wurde. Im Departement von Frau Bundesrätin Doris Leuthard ist er verantwortlich für die Umsetzung der Energiewende in unserem Land.

Vor welchem Hintergrund kam die Energiestrategie im Jahr 2011 ins Rollen?

Die neue Strategie ist die Antwort auf die aktuellen weltweiten Entwicklungen. Der ganze Sektor befindet sich im Wandel, nicht zuletzt durch den massiven Einbruch der Energiepreise und die Entwicklung neuer Technologien, die zum einen die Produktion und Nutzung der Energie erleichtern und zum anderen die Senkung des Energieverbrauchs ermöglichen. Auf diese Herausforderungen reagierte der Bund mit der Förderung der Energieeffizienz und neuer erneuerbarer Energien sowie dem Atomausstieg. Gerade dieser letzte Punkt ist aufgrund wirtschaftlicher Erwägungen und des Alters der vorhandenen Kernkraftwerke natürlich ein langwieriger Prozess, dessen Eckdaten die Gesetzesänderung festschreiben wird.

Handelt es sich um eine Evolution oder um eine Revolution?

Genauso wie beim Atomausstieg haben wir es mit einer Evolution zu tun. Festzustellen ist – erstmals seit 70 Jahren – eine Abkopplung des wirtschaftlichen Wachstums vom Energieverbrauch. Die Wirtschaft kann sich auch ohne ständig steigenden Energieverbrauch weiterentwickeln. Ausserdem ist der Preis für neue erneuerbare Energien deutlich gesunken. Seit 2010 sind die Anschaffungskosten für eine Fotovoltaikanlage mit 30 kWp um 70% gefallen, teilweise dank des deutschen Förderprogramms, das die Nachfrage nach Solaranlagen massiv vorangetrieben hat.

Welche Rolle spielen die Bürger als Verbraucher bei der Energiestrategie?

Bisher basierte das System auf Grosskraftwerken und einem unidirektionalen Energiefluss. Inzwischen haben wir es mit einer Kombination aus Grossnetzen und dezentralisierter Produktion zu tun. Um sich auf die fluktuierende Produktion der neuen erneuerbaren Energien einzustellen, werden die Verbraucher mehr und mehr in die aktive Verwaltung der Nachfrage und Stromspeicherung einbezogen. Es ist heute oft die Rede von Speicherbatterien, doch kann man Energie auch speichern, indem man Wärme in Form von heissem Wasser oder Kälte in einem Gefrierschrank speichert und so die Spitzenlastzeiten ausweitet. Es gibt bereits ein Potenzial, das man mit vorhandenen Mitteln ausschöpfen kann, wenn man nämlich sein Wohnumfeld als System versteht und über genügend Informationen verfügt, um den eigenen Verbrauch zu steuern.

Und deshalb ist die Technologie so wichtig?

Genau – und die gibt es längst. Schon mit unseren heutigen Technologien ist die Energiewende möglich. Eine Bremswirkung hat weniger der Kostenaufwand als vielmehr die Integration von Produktion, Verbrauch und Speicherung. Zudem müssen wir fest darauf vertrauen, dass die Energiewende machbar ist, und das ist eindeutig der schwierigste Part. Unsere Vorgänger haben ihren visionären Geist und ihren unternehmerischen Mut seinerzeit mit den grossen Kraftwerken und Stromnetzen unter Beweis gestellt – jetzt ist es an uns, Courage zu zeigen und die Wende zu meistern, um dieses kostbare Erbe für die Zukunft zu erhalten.

Groupe E Rédaction

Texte: Jean-Pierre Chapuis

Crédit photo : BFE2017/Thomas Hodel